Einen Katzensprung von Osaka entfernt liegt das hübsche Städtchen Nara (奈良). Wobei ich vielleicht lieber Rehbocksprung sagen sollte…

Nara war die allererste richtige Hauptstadt Japans und hieß damals noch Heijo. (Davor wurde die Hauptstadt übrigens jedes Mal an einen anderen Ort verlegt, wenn ein neuer Kaiser den Thron bestieg. Von da an mussten die Kaiser umziehen, nicht die Hauptstadt.) Später wurde sie übrigens nach Kyoto und schließlich… genau, Tokio verlegt!
Nara liegt weniger als eine Stunde von Kyoto und Osaka entfernt. Mit dem blitzschnellen JR Express ist man also flotter da als gedacht. Touristen kommen an diesen schönen Ort, da er aufgrund seiner historischen Bedeutung auch heute noch reich an kulturellen Schätzen ist – darunter einige der ältesten und größten Tempel Japans.
Respektvolle Tiere
Aber eigentlich kommen die Touristen hier her wegen all dem Rehwild. „Häh?“ denkst du dir jetzt vielleicht. Was macht das denn in Nara? Nun, sie wohnen hier, denn Nara ist Heimat von Hunderten frei umherlaufendem Rehen, Rehböcken und Rehkitzen. Und die sind erstaunlich zahm und kommen den Menschen ganz nahe, bzw. wuseln mitten unter ihnen herum.


Die Legende besagt, dass im Jahr 768 n.u.Z. ein buddhistischer Mönch namens Tokudo Shonin die ersten Rehe nach Nara brachte. Er soll den Tod eines seiner Schüler betrauert haben und sah in den Rehen die Verkörperung der Seelen der Verstorbenen. Seitdem wurden die Rehe in Nara geschützt und gepflegt.
Über die Zeit sind die über 1000 Rehe (die als Boten der Götter gelten) zu einer Art Symbol für die Stadt geworden und wurden sogar zum Naturschatz erklärt. Ganz selbstverständlich kann man sie also irgendwie überall finden. Egal, ob sie gerade am Weg entlang spazieren oder aus den steinernen Tempellaternen heraus lugen.


Ganz besonders viele kann man im berühmten Nara Park entdecken. Das ist aber auch kein Wunder, denn hier werden Kräcker zum Verkauf angeboten, die man dann an die Tiere verfüttern kann. Als kleines Ritual haben diese wiederum gelernt, sich vor den Besuchern zu verbeugen, wenn sie gefüttert werden wollen. Oder sie einfach zu verfolgen! Denn wenn so ein Reh oder Bock erstmal weiß, dass du einen Kräcker hast, lässt das Tier erstmal nicht von dir ab, bis es den auch bekommt. Wir haben auf jeden Fall nette neue Freundschaften geschlossen.
Kleine Ergänzung: Eigentlich ging in Nara erstmal alles mit rechten Dingen zu: Die Tiere wirkten munter und freundlich, die Touristen wirkten amüsiert aber auch respektvoll. Bis wir diesen einen furchtbaren Mann getroffen haben. Der hatte einfach 0 Respekt oder Gefühl dafür, was sich gehört und was nicht. Anscheinend wollte er ein Bild mit einem der Tiere machen. Doch anstatt sich Kräcker zu kaufen (dann kommen die nämlich eh freiwillig), beschloss er, ein Reh von oben einfach bei den Vorderbeinen aufzuheben (!) und in seine Richtung zu drehen. Das Tier fing wie wild an zu zappeln und hat möglichst schnell die Flucht ergriffen. Wir waren entsetzt! Als er dann noch einen Rehbock, neben dem wir gerade standen, am Geweih gepackt hat, wars vorbei. In einer Kurzschlussreaktion schrie ich ihn halb an, was er da bitte täte und dass er gefälligst sofort aufhören solle. Er lachte nur und sah mich mit Unverständnis an. Das hat mich so rasend wütend gemacht.
Hübscher japanischer Garten
Ein wenig später fanden wir noch ein von außen unscheinbar wirkendes Gartentor, hinter dem sich ein wirklich schöner japanischer Garten auftat. Mit einem richtigen Teehaus (und sogar leicht gewellten, handgefertigten Fensterscheiben) und vielen verschiedenen schön angelegten Pflanzen. Hier konnten wir unser Gemüt wieder ein wenig abkühlen und die Natur genießen. Glücklicherweise erinnerte ich mich nach der Begegnung mit dem blöden, respektlosen Menschen an Amelies Spruch: „Nicht ärgern, nur wundern.“ – sonst wäre der Tag wahrscheinlich gelaufen gewesen…
Mochis
Am Weg zurück gab es noch ein Aufheiterungs-Mochi (もち) für uns! Das wurde vom Mochi-Meister persönlich vor unseren Augen nochmal fest durchgestampft bzw. geschlagen, damit der Teig seine berühmte geschmeidige Konsistenz erhält (das Schlagen mit den Holzhammern nennt sich auch Mochitsuki und ist ein spezieller japanischer Brauch zur Zubereitung der Süßspeise). Wer Mochis nicht kennt: das ist eine Art Reiskuchen, der aus speziellem klebrigem Reis hergestellt wird. Innen kann er dann mit allen möglichen Geschmäckern gefüllt sein, in unserem Fall zum Beispiel mit roter Bohnenpaste. Mmmmhhhh! Aber bitte mit Vorsicht genießen, denn durch die klebrige Konsistenz kann man an Mochis schnell ersticken – deshalb lieber in kleinen Stücken essen und gut kauen.