Nightlife Stories von Shinjuku

Weil wir uns alleine nachts nicht so richtig raus getraut haben (oder wenn wir mal ehrlich sind, einfach nicht die Motivation hatten, nach Einbruch der Dunkelheit nochmal raus zu gehen sondern nach langen Sightseeing-Tagen lieber im Bett rumzuknödeln), haben wir uns bei einer Night Walking Tour angemeldet. Hier haben wir zwar nichts zu der Geschichte Japans oder historisch wichtigen Ereignissen gelernt, dafür aber den ein oder anderen Einblick in die Nightlife Szene und das berüchtigte Liebesleben bekommen. Und das lässt mindestens genauso staunen, wie die beleuchteten Gassen und Straßen. Wartet’s nur ab!

Dating Leben

Loc, unser lieber Guide, redete nicht lange um den heißen Brei herum, sondern startete direkt mit einem sehr juicy Thema: Dating. In Japan ist es nämlich üblich, abends mit Bekannten, Freunden und Arbeitskollegen als Gruppe etwas trinken zu gehen und dann auch in dieser Konstellation zu bleiben. Da wird nicht wirklich gemingled und einfach mal mit neuen Leuten gesprochen. Dementsprechend gibt’s nicht viele Möglichkeiten, sich in einer Bar (oder davor) kennenzulernen, wie das bei Patrick und mir der Fall war…

Wie schließt man also neue Freundschaften oder findet sich seinen eigenen Patrick? Dafür gibt es eine einfache Lösung: Ein Gruppenblinddate namens gōkon (合コン). Dabei laden zwei Freunde jeweils ihre befreundeten männlichen oder weiblichen Singles zu einem Treffen ein, wo man sich in ungezwungener Atmosphäre kennenlernen kann. Z.B. beim Abendessen, Karaoke oder Trinken. Wenn ich ehrlich bin, klingt das in meinen Ohren ziemlich unangenehm, ist aber ein typischer Weg, in Japan neue Leute kennenzulernen und Gleichgesinnte zu finden. Meistens kommen auch alle aus einer ähnlichen Lebensphase (studieren zum Beispiel) und haben so direkt ein Gesprächsthema, worüber sie miteinander reden können.

Es gibt natürlich auch online Dating-Apps oder organisierte Events, sogenannte konkatsu Parties (婚活パーティー) (wie gōkon nur mit fremden Personen), die dem gleichen Zweck dienen. Ganz früher hat es auch noch Heiratsgespräche gegeben, als Hochzeiten noch organisiert waren. Aber so das typische auf der Straße ansprechen ist in Japan wohl eher selten. Vielleicht, weil die Gesellschaft dafür einfach zu höflich und eher konservativ eingestellt ist.

Das Rotlichtviertel

Wem das noch nicht abgespaced genug war, der kann sich ja mal umhören, was im Rotlichtviertel von Japan so geschieht. Denn obwohl Prostitution verboten ist, gibt es viele Wege, wie die Einschränkungen umgangen werden. In dieser Grauzone bewegen sich außerdem auch die Mafia und der Sexhandel, welche unter Umständen auch gefährlich werden können. Deshalb haben wir mal lieber einen großen Bogen um das rot beleuchtete Eingangstor gemacht.

Wen es interessiert, das sind Wege, die gesetzlichen Einschränkungen á la „Keine fremde Person bezahlen, um mit einem zu schlafen“ zu umgehen:

  1. Die Interaktion beruht auf einer Massage und endet dann einfach mit einem Happy End.
  2. Es wird ein vorangegangenes „Vorstellungsgespräch“ geführt, damit man sich nicht mehr fremd ist. Logisch oder?

Wer mehr wissen möchte oder solche Orte in Erfahrung bringen möchte, kann sich ja mal bei einem der vielen Informationsschalter melden. Und nein, wenn man hier als Tourist ganz normal nach dem Weg oder einer Sehenswürdigkeit fragt, wird einem nicht geholfen. Am Besten nicht von dem kleinen Info-„i“ täuschen lassen. Die sind nur für ganz bestimmte Information da.

Love Hotels

Ja achso oder 3. Man findet selbst jemanden und mietet sich für ein paar Stunden ein Zimmer in einem Love Hotel. Die können je nach Bedarf für unterschiedlich lange Zeit gebucht werden und sind übrigens ziemlich hübsch ausgestattet – manchmal sogar mit riesigen Flatscreens oder Whirlpools.

Patrick und ich haben sogar selbst überlegt, in so ein Hotel zu gehen. NEIN, nicht woran ihr jetzt denkt! Sondern an unserem allerersten Tag, an dem wir krampfhaft nach einem Ort gesucht haben, wo wir uns nach dem zermürbenden Flug tagsüber für ein paar Stunden hinlegen können für einen Mittagsschlaf. Letzten Endes konnten wir dann aber einfach in unserem eigenen Hotel früher einchecken. Naja, ich hätte die Hotels mit den abgedunkelten Fensterscheiben und Eingängen in Innenhöfen schon irgendwie gerne von innen gesehen. Mitgekriegt hätte es sowieso niemand, denn Privatsphäre wird hier besonders groß geschrieben.

Host & Hostess Clubs

Wenn es nicht ganz so körperlich sein muss, gibt es noch eine letzte Alternative und Eigenheit in Japan: die sogenannten Host oder Hostess Clubs kyabakura (キャバクラ). Im Wesentlichen sind das Orte, an denen Menschen was trinken gehen und dabei von schönen Männern oder Frauen mit Aufmerksamkeiten überschüttet werden. Hier wird man mit Geschichten unterhalten, kann sich bei koketten Gesprächen amüsieren oder Arbeitsdinge besprechen. Das Thema ist egal – die Hosts oder Hostesses sind nur dazu da, dass sich der jeweilige Gast gut fühlt – es kann sogar gespielt, gesungen oder eben einfach nur zugehört werden. Wichtig ist nur zu wissen, dass hier keine sexuellen Aussagen oder Aktivitäten erwünscht sind und man sich normalerweise auch nicht berührt. Das macht das ganze für mich aber nicht weniger ungewöhnlich.

Diese Art der Unterhaltung wird im Übrigen auch überall beworben! Ganze Gebäude sind zugekleistert mit Menschen, die dem japanischen Schönheitsideal entsprechen. Dabei kann man ungeübt meistens nicht zwischen den Hosts und einer Boyband unterscheiden, aber was weiß ich schon davon.

Loc hat erzählt, dass es oft einsame Menschen sind (und manchmal ebenjene Leute, die selbst als Host oder Hostess arbeiten!), die sich einfach nur geliebt fühlen möchten, die diese Clubs besuchen. Mich hat das ziemlich traurig gestimmt, weil natürlich viel der Aufmerksamkeit und des Interesses vollkommen fake und vorgespielt ist und man dadurch keine echten menschlichen Beziehungen aufbauen kann. Trotzdem möchten sich viele verbunden fühlen, warum das Geschäft in Japan boomed.

Sophia, was hast du da für einen Club mit Host und Hostess Ebenen eröffnet?

Auf die großen Plakate kommen übrigens nur die beliebtesten Hosts und Hostesses – das muss man sich erstmal verdienen indem man der begehrenswerteste Mensch im Club ist. Es ist nicht verwunderlich, dass das Business also oft mit äußerlichen Veränderungen durch plastische Chirurgie einhergeht. Wird man außerdem zu alt (Patrick wäre jetzt wohl schon zu alt – sorry), dann wird man außerdem rausgeschmissen und fallen gelassen. Wirklich eine Zukunftsperspektive hat man also nicht. Es erhoffen sich trotzdem viele, durch diesen Job ein Sprungbrett in z.B. die Model- oder Filmindustrie zu erhalten und nehmen die Oberflächlichkeiten und Arbeitsbedingungen in Kauf.

3D Katze

Um euch nach all dem mit einem ein wenig leichteren Gefühl aus dem Beitrag zu entlassen, habe ich am Schluss aber noch ein echt geniales Video für euch, dass an einem berühmten Bildschirm auf einer Kreuzung in Shinjuku zu sehen ist: Die süße dreidimensionale Katze, die hoch über den Köpfen aller Menschen beinahe aus dem Gebäude zu springen scheint! In der Galerie sieht man außerdem noch ein paar Eindrücke unseres nächtlichen Spaziergangs durch die Gassen und Straßen von Shinjuku. Die tolle Aussicht konnten wir übrigens vom Tokyo Metropolitan Government Building aus kostenlos genießen.

"Dazu mussten wir nur nach der Tour wie verrückt hin rennen, damit wir zum letzten Einlass noch rechtzeitig vorbei kamen! Abendliche Joggingrunde inklusive." – Patrick

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