Kontrastreiches La Paz: Die schreckliche Seite

An einem unserer Tage in La Paz haben wir uns dann besonders mutig gefühlt und trotz kleiner Höhenkrankheit nachmittags noch an einer Walking Tour teilgenommen, um mehr über die Geschichte, Traditionen und das Leben in La Paz zu erfahren. Ein paar der Bilder hab ich schon in der Galerie im ersten Beitrag zu La Paz versteckt. In diesem Beitrag möchten wir auf die eher nicht so schöne Seite aufmerksam machen. Wer sich die skurrilen und grauslichen Erzählungen unseres Guides ersparen möchte, darf diesen Beitrag getrost überspringen. Von außen mag das Leben nämlich fröhlich, bunt und locker sein. Doch hinter den Kulissen spielen sich verrückte und teilweise schreckliche Dinge ab.

Hinweis: Vor allem unseren besorgten Eltern raten wir hier eher vom Lesen ab. Bussi an euch. Uns geht's gut!

Bereit für ein paar Gruselgeschichten?

Es ist gefährlich: Und das gefühlt überall. Besonders nachts sollte man sich in vielen Vierteln der Stadt besser nicht aufhalten. Der Lieblingsspruch unseres Guides schien zu sein: „Don’t go there“, als wir von außen an unscheinbaren Abzweigungen zu Straßen und Gassen vorbei schlenderten oder er einfach auf die andere Seite der Brücke deutete. Warum? Drogen- und Schmuggelbanden treiben ihr Unwesen und Kleinkriminelle sind bereit, sich als falscher Taxifahrer oder Polizist auszugeben, um unter falschen Vorwänden oder mit Entführungen von Touristen Geld zu erpressen.

Ob der wohl „echt“ ist?
Sympathische Spuren einer Schusswaffe in der Fassade

Opfergaben für Gebäude: Auch etwas erschreckend, aber vor allem skurril: Unter der gesamten Stadt sind tote Lamas vergraben. Sie wurden als Opfergaben für das Errichten von Gebäuden von der indigenen Bevölkerung für Patchamama (Mutter Natur) geopfert. Kleinere Häuser haben nur kleine Lama Föten darunter, aber größere Projekte erfordern das Opfer eines größeren Tieres oder, wenn man dem verschmitzt lächelndem Guide glaubt, auch freiwillige Menschen (die dafür mit einer letzten glorreichen Nacht „entschädigt“ werden).

Ja… die sind echt…

Zu der Opfergabe werden dann noch einige andere Dinge gegeben, unter anderem Zuckertafeln mit bestimmten Symbolen, die am Hexenmarkt erworben werden können. Dort gibt es dann noch haufenweise anderer Seltsamkeiten; von Liebestränken über angebliche Corona-Medizin hin zu kleinen Figuren, die Glück bringen sollen. Der Guide erzählte alles sehr überzeugend und ich frage mich bis heute, ob er an die Wirkungen, die von den Fläschchen mit den seltsamen Inhalten versprochen werden, wirklich glaubt.


Luxusgefängnis von und für Gefangene: Eine andere skurrile Erzählung brachte uns das Gefängnis von San Pedro näher; ein von Straftätern wohl selbstgeleiteter Gebäudekomplex, den man sich als verhaftete Person erst einmal leisten können muss. Ein Zimmer bzw. eine Wohnung kostet nämlich ordentlich. Darin kann man dann wie in richtigen Stadtvierteln mit seiner ganzen Familie einziehen und hat wohl einige Freiheiten. Berühmt wurde das Gefängnis durch Rusty Youngs Roman Marching Powder. Im Inneren soll wohl das reinste Kokain der Stadt hergestellt werden und wurde früher angeblich in Päckchen über die Mauern geworfen. Mutige Touristen können sich das Ganze auf einer illegalen Tour von innen ansehen, uns war das aber zu unheimlich und die Geschichten von Touris, die erpresst und zunächst nicht mehr rausgelassen wurden, zu echt.

Von außen sieht man hier nur fensterlose Mauern

Warnung: Der nächste Absatz beschäftigt sich mit Selbstmord.

Elefantenfriedhöfe: Besonders unangenehm wurde es aber erst bei den Erzählungen über die sogenannten „los cementerios de elefantes“ – übersetzt so etwas wie Elefantenfriedhöfe. Es ist eine Art Hotel, aus dem die Gäste nie zurückkehren; denn hier kommen sie zum Sterben hin. (Anmerkung: Wenn ich ehrlich bin, hab ich das Konzept auch erst nach der Tour verstanden, als ich ungläubig danach googeln musste. Das Folgende ist also nur zusammengesuchtes Halbwissen.) Ich starte trotzdem einen Erklärungsversuch: Das Ganze wurde eine zeitlang als makaberer Mythos abgetan, ist aber leider trotz gesetzlichem Verbot und Razzias schreckliche Realität. In unscheinbaren Gebäuden, z.B. verborgen durch die Fassade eines Mehrfamilienhauses oder normalen Geschäften, gibt es mit alten Matratzen und Kübeln ausgestattete, unbeleuchtete Räume. Darin können sich Menschen (oft obdachlose Alkoholiker aber auch viele andere), die das Leben nicht mehr ertragen möchten, einen Kübel hochprozentigen Alkohol kaufen und sich langsam damit in ein Dilirium trinken, bis sie schließlich an ihrem Organversagen und der Dehydrierung sterben. Es ist ein grausamer Prozess. Unser Guide erzählte uns, wie er mal nach einem Freund suchte, um ihn da wieder rauszuholen. Das nächste Sterbehotel wäre angeblich nur die Straße runter, sagte er uns. Ich erschaudere jetzt noch, dem ganzen Schrecken so nah gewesen zu sein. Wer mehr dazu wissen möchte, kann diesen englischen Bericht dazu lesen. Dem Freund geht es heute übrigens wieder besser.

Plötzlich sieht jeder Hauseingang oder vermeintlicher Shop irgendwie verdächtig aus

Versklavte Minenarbeiter: Bei den letzten Erzählungen über die abhängigen Minenarbeiter, die in Coca-Blättern bezahlt wurden, habe ich dann schon ein wenig abgeschaltet. Aber auch hier hat uns Eric später erklärt, dass die versklavten indigenen Arbeiter in der Kolonialzeit wohl nur eine Lebenserwartung von weiteren 3 Jahren hatten, sobald sie in den Minenschächten zu arbeiten beginnen mussten. Kein Wunder, dass es bei vielen zu einer regelrechten Kokain-Sucht kam. In den Straßen von La Paz erinnern nur manche Graffitis an die schreckliche Geschichte. Davon haben wir allerdings kein Bild gemacht…

Zur Aufmunterung hab ich nur ein süßes stickendes Lama Graffiti

Zugegeben, die Erzählungen über Überfälle, Opfergaben, Drogen, Selbstmorde und Sklaverei rücken die sonst so wunderschöne Stadt plötzlich in ein ganz anderes Licht und ließen uns insgeheim etwas froh sein, schon am nächsten Tag wieder weiterzureisen. Um euch nicht mit einem schlechten Gefühl zurückzulassen, möchte Patrick noch kurz zwei lustige Fun Facts zu den folgenden Fotos erzählen, über die uns unser Guide auch etwas erzählt hat. Na, fällt euch darauf etwas auf (außer die vielen Tauben)?

"Bolivien hatte vor wenigen Jahren noch einen exzentrischen und wenig beliebten Präsidenten, der für ein paar Eigenheiten sorgte. Ein ganz besonderes Beispiel ist, dass auf dem Regierungsgebäude in La Paz eine Uhr installiert wurde, die gegen den Uhrzeigersinn geht. Deshalb sollte man in La Paz wohl vorsichtig sein, wenn man vom Uhrzeigersinn spricht und spezifizieren, auf welche Uhr man sich bezieht. Damit dann nicht 2 Uhr vor 1 Uhr kommt wurden die Zahlen ebenfalls in der umgekehrten Reihenfolge angeschrieben. Welchen Mehrwert das bringt ist uns allerdings nicht ganz klar. 

Ein zweiter Fun Fact stammt von den Flaggen, die vor dem Regierungsgebäude gehisst sind. Die ersten zwei (auf dem Bild die zwei höheren) sind noch relativ normal. Da ist zu einem eine Flagge gehisst, die die 36 unterschiedlichen Ethnien in Bolivien repräsentiert (oben links). Sie besteht aus vielen verschiedenen Farben. Die zweite ist auch eher unspektakulär, es ist die Flagge von Bolivien (oben rechts). Die dritte Flagge ist jedoch alles andere als gewöhnlich, auch wenn man es auf den ersten Blick vielleicht nicht bemerkt (unten). Sie zeigt eine Kombination aus den ersten beiden Flaggen zusammen mit Sternen auf einem blauen Hintergrund. Das Blau der Flagge steht hierbei für den Zugang zum Meer... Moment mal. Wenn man sich einmal die Landkarte zu Gemüte führt, stellt man sehr schnell fest, dass Bolivien komplett von anderen Ländern eingeschlossen ist und damit überhaupt keinen Zugang zu irgendeinem Meer hat! Deshalb ist wohl auch die komplette Marine im Titikakasee stationiert. Warum man also eine Flagge dafür braucht und welchen Aufgaben sie im See nachgeht ist wieder eine Sache, die sich uns nicht ganz erschließt. 

Allerdings versucht Bolivien auch immer wieder, sich das Recht auf einen Meereszugang einzuklagen; bisher aber ohne Erfolg. Wir drücken die Daumen, dass es irgendwann klappt und die Flagge sinnvoll genutzt werden kann." – Patrick

Und damit hasta luego du kontrastreiche Stadt.

3 Kommentare

  1. Lisbeth Hofbauer

    Hallo meine Lieben, ihr schreibt einen sehr interessanten Reisebericht, welchen ich mit großem Interesse verfolge. Passt gut auf euch auf und lasst uns weiterhin an eurem Abenteuer teilhaben. Liebe Grüße von Lisbeth

    • Danke liebe Lisbeth! Wir probieren’s. Gerade wenn das Internet oder die Verdauung nicht so mögen, ist es gar nicht so einfach, immer alles zu berichten. Aber wir geben unser Bestes und freuen uns natürlich sehr, euch in Gedanken mitnehmen zu dürfen.

  2. Ach du meine Güte, das ist schon richtig schwere Kost. Danke, dass ihr nicht an der illegalen Knastführung teilgenommen habt.

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